Offener Brief an Ministerpräsident Seehofer

Quelle: www.solarinitiativen.de

Betrifft: Ihre Zusage zum 10-fachem Abstand von Windenergieanlagen von Wohnbebauungen sowie Leistungserhöhung des AKW Gundremmingen

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Seehofer,

laut Medienmeldungen haben Sie kürzlich auf Betreiben einer unterfränkischen Anti-Windkraft-Bürgerinitiative zugesagt, in Bayern für die Planung (Regionalplan, Flächennutzungsplan) und Genehmigung von Windenergieanlagen einen pauschalen Mindestabstand von Siedlungen vom 10-fachen der Anlagenhöhe festzulegen. Im Namen von rund 120 bayerischen Solarinitiativen mit mehreren Zehntausend Mitgliedern protestieren wir energisch gegen einen solchen Schritt.

Moderne Binnenland-Windanlagen mit sinnvoller Windenergieernte in Bayern haben eine Nabenhöhe von 140 – 150 m, somit liegen die Rotorspitzen bei ca. 200 m. Eine Regelung vom 10-fachen der Anlagenhöhe würde einen Abstand von über 2000 m erfordern. Eine solche Regelung würde nicht etwa nur einzelne betroffene Nachbarn schützen, sondern weitere Windräder in Bayern nahezu vollständig verhindern. Wir verstehen dies als erneute Kehrtwende und klare Kampfansage an die Energiewende in Bayern. Nach den Windrädern wären vergleichbare Einschränkungen bei anderen erneuerbaren Energieträgern oder Infrastrukturen nur eine Frage der Zeit.

Die Staatsregierung und die Koalitionsparteien hatten sich nach Fukushima 2011 unter erheblichen Geburtswehen endlich von der Sackgasse Atomenergie emanzipiert. Bayern befand sich auf einem zwar langsamen, aber doch erkennbaren Weg, ein Vorreiter der Energiewende in Deutschland zu werden. Der Freistaat hat sich im Energiekonzept beim Wind einen Ausbau auf 6 –10% des Stromverbrauchs zum Ziel gesetzt. Der Windenergieerlass, der Windatlas (trotz der fortwährenden Verzögerungen bei der Behebung der bekannten Mängel), die Gebietskulisse Windkraft und das Arbeitsforum Windkraft waren konkrete Schritte in die richtige Richtung. Mittlerweile werden in vielen Regionen Bayerns – unter sicherlich oft schwierigen Diskussionen für die kommunalen Mandatsträger – Vorranggebiete oder Konzentrationszonen erarbeitet.

Sie selbst, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, haben sich wiederholt für eine dezentrale Umsetzung der Energiewende ausgesprochen. Strom aus Windenergie ist eine bedeutsame Säule der Energiewende in Bayern. Das Potenzial liegt unter Wahrung der Schutzgebiete bei rund 80 Milliarden Kilowattstunden, also in etwa dem gesamten Nettostrombedarf. Die immer zahlreicheren Energiegenossenschaften warten nur darauf, dieses Potenzial zu heben, dezentral und in Bürgerhand. Trotzdem wollen Sie diesen Weg nun verlassen – oder gerade aus diesem Grund? Sollen Stromkonzerne oder Großindustrie von gefährlicher Konkurrenz befreit werden?

Bereits allein durch Ihre Ankündigungen begibt sich die Staatsregierung nicht nur in rechtlich problematisches Terrain, sondern sie macht alle ihre bisherigen Bemühungen obsolet. Sieht so eine glaubwürdige und zukunftsorientierte Energiepolitik aus?

Es wurde bekannt, dass eine der treibenden Kräfte der Windkraftgegner in Bayern der Leiter des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld ist. So könnte man Ihre Zusage als Einknicken vor e.on und RWE deuten. Auch das Ansinnen, die Leistung des AKW Gundremmingen ausgerechnet jetzt erhöhen zu wollen, deutet darauf hin. Wollen Sie sich wirklich erneut der Kuratel der großen Energieversorger unterwerfen? Wir sind davon überzeugt, dass dies der Großteil der bayerischen Wähler, aber auch der Parteien, einschließlich vieler tatkräftiger CSU-Kommunalpolitiker, nicht will.

In der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Solar-Initiativen sind Solarinitiativen und Energiegenossenschaften aus ganz Bayern zusammengeschlossen. Seit vielen Jahren treten wir für eine umweltfreundliche, dezentrale Energiewende in Bürgerhand ein. Dass Bayern heute weltweit Vorbild und Spitzenreiter bei der Photovoltaik ist, ist insbesondere auch das Verdienst der Solarinitiativen. Für eine echte Energiewende ist jedoch die Windkraft unverzichtbar. Wir setzen uns daher konsequent für einen zielführenden, maßvollen und verträglichen Ausbau der Windkraft ein und machen dies zu einem zentralen Kriterium für die Bundestags- und Landtagskandidaten.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, bitte lassen Sie sich weder zum Büttel von e.on und RWE noch der Großindustrie machen und bleiben Sie dem bisherigen Kurs treu, die Stromerzeugung aus Windenergie und die Energiewende insgesamt in Bayern voran zu bringen. Wir fordern daher eine umgehende Beendigung dieser Debatte durch eine eindeutige Erklärung Ihrer Regierung.

Mit freundlichen Grüßen im Namen der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Solarinitiativen

 Michael Buchberger – Herbert Eberhart – Elisabeth Fabian – Werner Hillebrand-Hansen –
Franz Lichtner –  Daniel Miller –  Heide Schmidt-Schuh

Anlage: Leitfaden „Windkraft in Bayern“

DD an Dr. Marcel Huber, Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit