Stellungnahme des Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. zum Referentenentwurf für ein EEG 2021

17.09.2020, SFV-Vorstand, Susanne Jung:

BGB-Vorstand und hauptamtliche Geschäftsführerin Dipl.-Ing. Susanne Jung Bild: sfv.de
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Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat uns um eine Stellungnahme zum neuen EEG-Referentenentwurf gebeten, der wir gern nachkommen.
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Referentenentwurf EEG2021 _ Stellungnahme des SFV
Referentenentwurf zum EEG 2021_vom_14_9_2020

 
 

Sehr geehrter Herr Minister Altmaier,
sehr geehrte Damen und Herren,wenn die Bundesregierung den existentiellen Bedrohungen der Klimakrise wirkungsvoll begegnen will, muss entschlossen gehandelt werden. Wir stehen vor der enormen Herausforderung, die Verbrennung kohlenstoffhaltiger Brenn- oder Treibstoffe schnellstmöglich zu beenden und den Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare Energien zu vollziehen. Dieser Weg muss gelingen. Es gibt weder Alternativen noch die Möglichkeit, den Wechsel auf eine vollständige ökologisch nachhaltige Wirtschaftsweise weiter hinauszuschieben. Die Zustimmung der Bürger*innen für eine Energiewende ist ebenso sicher, wie ausgereifte Techniken zur Verfügung stehen, die uns den Umstieg möglich machen.

Mit dem am 14.9.2020 vorgelegten Referentenentwurf zur Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes können die drängendsten Probleme im Klimaschutz nicht gelöst werden. Der SFV kommt deshalb zu dem Schluss, dass sich die Erkenntnis der Dringlichkeit bei den Verantwortlichen der Bundespolitik noch immer nicht durchgesetzt hat.

Allen müsste ansonsten klar sein, dass wir einen immensen Investitionsschub bei Erneuerbaren Energien benötigen, um das fossil-atomare Energiesystem vollständig und in kürzester Zeit abzulösen. Alle Sektoren müssen umgestellt werden: die Wärme- und Kälteversorgung der Gebäude und Industrie, das Verkehrswesen, die Grundstoff- und Petrochemie sowie die Landwirtschaft. Neben der vollständigen treibhausgasfreien Energiebereitstellung bedarf es massiver CO2-Rückholungsmaßnahmen, z.B. über Pflanzenkohle und damit eines zusätzlichen Energiebedarfs, der beim Ausbau der Erneuerbaren berücksichtigt werden muss. Desweiteren müssen Stromspeicher mitgedacht werden, da nur durch Speichersysteme fossile Kraftwerke dauerhaft abgeschaltet und die Angebote von Wind- und Solarenergie über das ganze Jahr und zu jeder Tages- und Nachtzeit nutzbar gemacht werden können.

Es wird also in Zukunft mehr Energie denn je gebraucht und die muss zum überwiegenden Teil aus Wind- und Solarenergie stammen. Die geplanten Ausbaupfade, bei denen Offshore-Windkraft auf 71 Gigawatt, Onshore-Windkraft auf 20 Gigawatt und Solarenergie auf 100 Gigawatt installierte Leistung gesteigert werden sollen, sind viel zu zaghaft und entsprechen weder den klimapolitischen Notwendigkeiten noch den technologischen und praktischen Möglichkeiten.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) als eines der wichtigsten Instrumente deutscher Klimapolitik ist in den letzten Jahren massiv deformiert worden. Einschränkungen beim Zubau, überzogene Förderkürzungen und bürokratische Hemmnisse führen zu einer massiven Behinderung der Energiewende massiv. Auch dieser Referentenentwurf des EEG räumt die Probleme nicht vom Tisch. Im Gegenteil: Die Bürokratie-Vorgaben bleiben nicht nur bestehen. Sie finden in zahlreichen neuen Ausbauhindernissen einen weiteren Höhepunkt. So demonstrieren die verpflichtenden Ausschreibungen für Solaranlagen auf Gebäuden bereits über 750 kW Leistung beispielhaft, wie wenig man die Chancen der Energiewende auf Dächern beschleunigen und die Hand der Bürger legen möchte.

Die geplanten Vergütungsregelungen für PV-Anlagen nach Ablauf der 20-jährigen Vergütung sind ein wirtschaftliches Desaster für die Pioniere der Energiewende. Mit einem Jahresmarktpreis (Prognose für 2020: 2 Ct/kWh) abzüglich der zusätzlich verpflichtenden Abzüge für die Vermarktung (welche überhaupt?) ist der Weiterbetrieb von Volleinspeiseanlagen wirtschaftlich nicht zumutbar. Die jährlichen Betriebskosten für Versicherung, Wartung und Zähler werden damit nicht einmal annähernd abgedeckt. Der Pflichteinbau von Smart Meter bei Eigenversorgung und die Androhung von Pönalen, sollte man dieser Pflicht nicht nachkommen, setzen der Verantwortungslosigkeit der Autoren des Referentenentwurfs noch die Krone auf. Offensichtlich nimmt man in Kauf, dass bis 2025 ca. 1 Gigawatt Solarenergie vom Netz gehen. Wohlgemerkt: Es handelt sich um einwandfrei arbeitende Solaranlagen, die klimaneutralen Strom produzieren könnten. Das ist ein schwerer Fehler bei einer schleppend vorangehenden und von Vertrauensverlust geprägten Energiewende.

Die neu definierten Pflichten zur Installation eines intelligenten Messsystems bei Neuanlagen bereits ab 1 Kilowatt (!) Leistung sind ein weiterer deutlicher Beleg für die Fehlentwicklungen deutscher Energiepolitik. Anstatt die Vorteile des Eigenverbrauchs und der Speicherung vor Ort zu stützen und regionale, dezentrale Versorgungsstrukturen zu fördern, setzt man auf kostenintensive Smart Meter, um selbst kleinste Erzeugungskapazitäten zentral abregeln zu können. Für diese und andere komplexe, auf Pönalen ausgerichtete Bestimmungen müssen aus Sicht des SFV zwingend einer EU- und verfassungsrechtlichen Überprüfung hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit unterzogen werden. Wenn Solaranlagenbetreiber ihren selbst erzeugten und den in ihrem Eigentum befindlichen Strom vor Ort verbrauchen, dürfen sie weder benachteiligt noch einer finanziellen Entlastung von steigenden Stromkosten entzogen werden. Plant Deutschland ein weiteres EU-Vertragsverletzungsverfahren? Die EU-Richtlinie Erneuerbare Energien 2018/2001, in der u.a. festgelegt wurde, dass die Eigen- und Drittversorgung von Solarstrom nicht finanziell belastet werden darf, muss zügig umgesetzt werden. Strom aus einer Erneuerbaren-Energien-Anlage, der im räumlichen Zusammenhang zu seiner Erzeugung ohne Inanspruchnahme des öffentlichen Netzes verbraucht wird, darf weder mit Umlagen noch mit Abgaben (auch nicht mit Pönalen!) finanziell belastet werden. Die bisher geltende Maximalgröße von EEG-Umlage-befreiten Solaranlagen (10 kWp Leistung) muss abgeschafft werden, damit alle geeigneten Flächen wirtschaftlich und energetisch sinnvoll vollständig genutzt werden.

Die am 16.09.2020 verkündeten neuen Ziele der EU-Kommission gehen über die nationalen Klimaschutzziele der Bundesregierung hinaus. Damit wird für jedermann ersichtlich, dass die Zielvorgaben im EEG 2021 völlig unzureichend und verfehlt sind, waren sie doch noch nicht einmal geeignet, die nationalen Ziele zu erreichen.

In einem wirtschaftlich und technologisch hochentwickelten Land nur Teilbereiche der Energieproduktion zu dekarbonisieren, ist ein deutlicher Beleg für das Misslingen der deutschen Energiepolitik. Bis 2030 nur 65 Prozent des deutschen Strombedarfs aus Erneuerbaren Energien bereitzustellen, ist völlig unzureichend. Durch das zu geringe Ausbauziel von 65% Erneuerbaren Energien müssen Kohle- und Atomanlagen für teures Subventions-Geld am Netz bleiben, der Verbraucher muss aufgrund des langen Übergangs doppelt bezahlen. Der Aufbau einer ökologisch tragbaren und bezahlbaren Versorgung aus Erneuerbaren Energien wird massiv ausgebremst. Damit bleiben wir weiterhin davon entfernt, eine krisenfeste Solarindustrie und solare Handwerks-Strukturen zu entwickeln.

Alle Stromverbraucher müssen sich an der Finanzierung der Energiewende beteiligen – auch die Industrie. Eine weitere Reduzierung der EEG-Umlagepflicht stromintensiver Unternehmen im Rahmen der Besonderen Ausgleichsregelung ist nicht hinzunehmen. Alle finanziellen Ressourcen, die sich zusätzlich aus den geplanten Einnahmen der Kohlendioxid-Bepreisung ergeben, müssen in den Ausbau der Erneuerbaren Energien und Klimafolgen-Anpassungen fließen.

Wir brauchen eine umfassende erneuerbare Energiewende bis spätestens 2030. Diese muss in eine neue Klimaschutz-Gesetzgebung gebettet werden. Dazu gehören vor allem:

Keine Ausbau-Limits für Erneuerbare Energien.

  • Keine Ausbaubeschränkungen durch Ausschreibungen oder Deckelungen („atmender Deckel oder absoluter Deckel“) beim Ausbau von Wind und Solar
  • Nutzung alles verfügbaren und geeigneten Flächen
  • Für Solarenergie bedeutet das: Alle geeigneten Dächer und Fassaden, Solare Überdachungen auf Verkehrswegen, Bahndämme, Lärmschutzwände und -wälle, Autobahn-Parkplätze und Haltestreifen, mehr Freiflächenanlagen, Festlegung einer solaren Baupflicht
  • Windenergie: keine starren Abstandsregeln und Windvorranggebiete, Windenergie auch in den Wirtschaftswald
  • Nutzung von Photovoltaik auf landwirtschaftlichen Flächen in Koexistenz mit landwirtschaftlicher Nutzung (“Agro-PV”) fördern

Stärkung dezentraler Strukturen und Bürgerenergie

  • zügige Umsetzung der EU-Richtlinie Erneuerbare Energien 2018/2001
  • Abschaffung von Umlagen und Abgaben auf Bürgerenergie
  • Recht, jedoch keine Verpflichtung auf Vermarktung
  • Verpflichtung von Investoren für wirtschaftliche Beteiligung der Bürger und Kommunen an Windenergieprojekten
  • Einfache und verständliche gesetzliche Regeln zum EE-Ausbau

Wirtschaftlich gesicherte Investitionen in Erneuerbare Energien

  • Gewinnbringende, einfache Vergütungsregeln für Solar- und Windenergie
  • Anschluss von EE-Anlagen ohne WENN und ABER
  • Netzanschluss: Kostentragungspflicht des Netzbetreibers und Umlage auf Stromkunden
  • Bestandsschutzregeln für alle Solar- und Windenergieanlagen, die aus der EEG-Förderung fallen
  • Sonderkündigungsrechte für langfristige Liefervereinbarung mit Fossilstromanbietern

Sektorkopplung und Speicherausbau, Dezentralisierung

  • Änderungen in den Energiegesetzen mit dem Ziel, eine wirtschaftliche P2X-Speicherung anzustoßen, z.B. auch durch das – Verbot von Abregelungen von EE-Anlagen; die Energiespeicherung ist ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge
  • Umbau der Stromnetze auf resiliente, dezentral ausgerichtete Netzkonzepte
  • keine Verpflichtung von Smart Meter ohne nachweislichen Vorteil für Anlagenbetreiber und Letztverbraucher
  • Möglichkeit eines privaten Messstellenbetriebs

Mit diesen Ansätzen würden wichtige Voraussetzungen geschaffen, damit die vollständige erneuerbare Energiewende bis spätestens 2030 gelingt und Deutschland seiner Klimaschutz-Verantwortung gerecht wird.

Quelle: www.sfv.de

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